Gebäude- und Quartierszertifizierung – Was steckt hinter der ÖGNI und dem DGNB-System?

Nicole Oblinger | 14. November 2024

In der Immobilien- und Bauwirtschaft wird Nachhaltigkeit zunehmend zum Standard. Dabei spielen Zertifizierungssysteme wie die der ÖGNI (Österreichische Gesellschaft für…

Nachhaltigkeit, begrünte Bürowände Außenansicht

In der Immobilien- und Bauwirtschaft wird Nachhaltigkeit zunehmend zum Standard. Dabei spielen Zertifizierungssysteme wie die der ÖGNI (Österreichische Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft) eine zentrale Rolle. Doch was steckt wirklich hinter diesen Zertifikaten? Und welche Vorteile – oder auch Herausforderungen – bringen sie mit sich?

Das DGNB-System: Europäische Standards für nachhaltiges Bauen

Die ÖGNI zertifiziert Gebäude und Quartiere auf Basis des DGNB-Systems (Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen). Dieses europäische Qualitätszertifikat zeichnet sich durch seine Flexibilität und ganzheitliche Betrachtung aus. Anders als viele andere Systeme bewertet es Gebäude über deren gesamten Lebenszyklus hinweg – von der Planung bis zum Rückbau – und legt dabei gleich viel Gewicht auf die folgenden Themenfelder:

  1. Ökologie: Ressourcenverbrauch, Energieeffizienz, CO2-Bilanz.
  2. Ökonomie: Lebenszykluskosten, Werterhalt, Betriebskosten.
  3. Soziokulturelle und funktionale Qualität: Nutzerkomfort, Barrierefreiheit, Gesundheit.
  4. Technik: Energieversorgung, Gebäudetechnik, Innovationspotenzial.
  5. Prozesse: Bauqualität, Dokumentation, Inbetriebnahme.
  6. Standort: Infrastruktur, Verkehrsanbindung, Einfluss auf die Umgebung.

Je nach Erfüllungsgrad wird eine Zertifizierung in Platin, Gold oder Silber vergeben. Diese Auszeichnung zeigt, dass ein Gebäude oder Quartier höchsten Ansprüchen an Nachhaltigkeit genügt – ein starkes Signal für Investor:innen, Nutzer:innen und Planer:innen.

Warum Gebäudezertifizierung?

  • Mehrwert schaffen: Zertifizierte Gebäude erzielen oft höhere Marktwerte und bieten langfristig stabile Renditen.
  • Umwelt schützen: Der Fokus auf Ressourcenschonung und CO2-Reduktion hilft, die Bauwirtschaft nachhaltiger zu gestalten.
  • Nutzer überzeugen: Aspekte wie Komfort, Gesundheit und Funktionalität rücken in den Vordergrund.

Ein kritischer Blick auf das DGNB-System

Trotz seiner umfassenden Ausrichtung und Flexibilität gibt es auch Kritikpunkte:

  1. Kosten und Aufwand: Eine Zertifizierung ist aufwändig und mit hohen Initialkosten verbunden. Dies schreckt kleinere Entwickler:innen und Bauträger:innen ab.
  2. Komplexität: Die Vielzahl an Kriterien und Gewichtungen kann für Bauherren und Investor:innen undurchsichtig wirken. Ohne professionelle Begleitung droht das System an Wirksamkeit zu verlieren.
  3. Praxistauglichkeit: Die theoretischen Standards lassen sich nicht immer reibungslos in die Praxis umsetzen, insbesondere bei Bestandsgebäuden oder kleineren Projekten.
  4. Gewichtungsverteilung: Obwohl das DGNB-System alle Aspekte gleichmäßig berücksichtigt, könnten individuelle Prioritäten – wie etwa soziale Nachhaltigkeit – in manchen Projekten stärker gewichtet werden müssen.

Fazit: Sinnvoll, aber nicht für jedes Projekt geeignet

Eine DGNB-Zertifizierung bietet viele Vorteile – insbesondere für größere Projekte oder Neubauten mit ambitionierten Nachhaltigkeitszielen. Dennoch ist sie nicht immer die richtige Wahl. Der Aufwand, die Kosten und die Komplexität müssen genau abgewogen werden.